Die russische Musik-Charme-Offensive geht weiter!

Nachdem auf unserer Seite viele lobende, begeisternde Worte für OTAVA YO gefunden wurden, stehen plötzlich REELROAD, nur echt mit dem russischen „Weichheitszeichen“ (Welches unser Programm leider nur als “?" rausrückt und auf das deshalb hier verzichtet werden musste!) am Ende ihres Bandnamens, in den Startlöchern. Und ganz weit von der spannenden Kombination aus russischer Folk-Tradition, modernem Rock und Pop sind auch sie nicht. Kein Wunder, dass beim Durchlesen der beteiligten Musikernamen auch ein paar OTAVA YO-Verdächtige auffallen.

Doch schon hier spielt wohl bewusst als musikalisches Aushängeschild das so wichtige, nur in der slawischen Sprachregion verwendete Weichheitszeichen eine Rolle, denn REELROAD verzichten auf den immensen „Spaß-Faktor“, der OTAVA YO innewohnt und gehen deutlich ernsthafter, doch ebenso professionell an ihre Musik und Texte, die natürlich allesamt in russischer Sprache gesungen werden. Jener Folk-Rockfaktor, der so russisch überzeugend erst durch die Vielzahl landestypischer Instrumente erreicht wird, ist dabei unüberhörbar. Dudelsäcke, Violinen, Flöten Harfen und in unseren Breitengraden unbekannte Instrumente (russische Zither, Balalaika, das Blasinstrument Zhaleika und die Obertonflöte Kaljuka) treffen auf klassisches Rockinstrumentarium aus E- & akustischen Gitarren, Bässen und Schlagzeug, ohne sich dabei je im Weg zu stehen oder seltsam Misstöne zu erzeugen.

Die Musik von „Past The Gates“ klingt so, als hätten vor hundert Jahren unsere russischen Brüder und Schwestern schon immer neben ihrer russischen Folk-Tradition ein wundervoll melodiöses Rock-Pop-Gen im Blut gehabt. Ein Gen, welches sie auf zurückhaltende Weise rocken lässt, aber eben nicht auf britische Art. Deutlich stehen die Traditionen im Vordergrund. Und da die russische Geschichte nicht etwa eine Ansammlung historischer Highlights, sondern auch vieler trauriger Phasen ist, hört man das genauso auf „Past The Gates“.

Insgesamt dominiert die russische Volksmusik das Album. Moderne Arrangements und viele, manchmal sogar wild ausbrechende, drummende Rhythmuseinlagen feuern dann mit Polka-Melodien den Rock-Pop-Ofen an. Auch hat man beim Hören den Eindruck, als würde bei jedem Song ein anderer Sänger antreten und Satzgesänge sind natürlich absolute Pflicht. Sogar ein paar verspielte Oldfield- oder leichte Jazz-Momente kann der Hörer bei intensivem Hinhören entdecken.

Fakt ist und bleibt aber, dass REELROAD sich in erster Linie den Musiktraditionen ihres Landes verpflichtet fühlen und dem erste Satz des für den Kritiker beigelegten Promo-Zettels musikalisches Leben und ihrem Land verbundene Leidenschaft einhauchen: „From Russia with love!“

FAZIT: In ihrer Musik leben REELROAD stärker die ruhigere, manchmal sogar etwas melancholische Seite der russischen Tradition aus. Nicht Spaß und Freude, wie bei ihren Landsleuten von OTAVA YO, stehen im Vordergrund, sondern die stark gebeutelte, langjährige russische Tradition, der „Past The Gates“ eine moderne Stimme verleiht. Nun kommt es auf uns an, mit einigen anglo-amerikanischen Hörgewohnheiten zu brechen und dieses Russian-Traditional-Folk-Gate zu durchqueren, denn für diese siebköpfige Band gilt: „Wer hier nicht abwechselnd das Tanzbein schwingt und sich wenig später verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel wischt, der muss in seinem Leben irgendetwas falsch gemacht haben!“